UkrainekriegNATO-Spionagedrohnen machen Überstunden

Das westliche Militärbündnis stationiert fünf Drohnen des Typs Global Hawk auf Sizilien. Deutschland ist Hauptbeitragszahler, stellt ein Viertel des Personals und einen Luftkorridor. Die unbemannten NATO-Flieger wurden sogar bei einem Dreifacheinsatz zusammen mit US-Drohnen gesehen.

Ein Rollfeld mit 5 Global Hawk, davor stehen mehrere Dutzend Soldat:innen stramm, im Hintergrund ein Hangar.
Bis zu 14 Pilot:innen für das AGS-Programm sollen von der Bundwehr kommen. NATO AGS

Seit drei Jahren stationiert die NATO Langstreckendrohnen vom Typ Global Hawk auf der italienischen Luftwaffenbasis Sigonella auf Sizilien. Die insgesamt fünf Luftfahrzeuge gehören zum NATO-Programm Alliance Ground Surveillance (AGS). Mit Ausbruch des Ukrainekriegs erfolgen regelmäßige Missionen entlang der Ostflanke des Militärbündnisses.

Nun meldet die NATO den Abschluss einer „intensiven Einsatzwoche“. Jeden zweiten Tag sei eine Drohne Richtung der ukrainischen Grenzen gestartet. Dabei hätten die Flugzeugwartungs- und Kommunikationstechniker:innen Überstunden gemacht, wird ein General zitiert.

In der „Einsatzwoche“ seien mehr Flugstunden absolviert worden als in einem vergleichbaren Zeitraum im Jahr 2021. Dies habe „Geheimdienstanalysten die großartige Möglichkeit“ gegeben, detaillierte Analysen zu liefern. Auf den Flügen seien „wertvolle Informationen über die Lage in der Ukraine“ gesammelt worden.

Flüge in 15 Kilometern Höhe

Die Global Hawk wird vom US-Konzern Northrop Grumman in der Ausführung RQ-4D Phoenix hergestellt. Sie ist die größte je gebaute Drohne und gehört zur hoch fliegenden HALE-Klasse (High Altitude Long Endurance).

Das Luftfahrzeug wiegt rund 15 Tonnen, die maximale Flugzeit wird mit 24 Stunden angegeben. Die NATO-Drohnen tragen das durchnummerierte Rufzeichen „FORTE“.

Das unbemannte Flugzeug fliegt in einer Höhe von über 15 Kilometern über dem zivilen Luftverkehr entlang einer vorprogrammierten Route mit Wegpunkten. In einem gesperrten Luftraum schraubt sich die Drohne dazu in einem spiralförmigen Manöver auf die Einsatzhöhe.

Bildgebende Aufklärung

Die Drohnen unterstehen dem NATO-Kommando zur Führung europäischer Luftstreitkräfte in Ramstein. Dort werden die Einsätze koordiniert. Für jeden Flug legen Techniker:innen im Mission Operations Support Centre auf dem Luftwaffenstützpunkt Sigonella fest, wann die Datenerfassung aktiviert werden soll.

Für die NATO fliegt die Global Hawk mit Technik zur bildgebenden Aufklärung (Imagery Intelligence – IMINT). An Bord befinden sich elektro-optische Sensoren und ein Radargerät, das über eine eine Reichweite von mindestens 200 Kilometern verfügen soll. Damit können Gebäude abgebildet und sich bewegende Fahrzeuge festgestellt werden.

Die aufgenommenen Informationen können an stationäre und mobile Bodenstationen übertragen werden. Im Ukrainekrieg ist hierfür das AGS Force Processing, Exploitation and Dissemination (PED)-Zentrum in Sigonella zuständig. Dort werden die Daten ausgewertet und in Analysen verarbeitet. Diese werden an NATO-Hauptquartiere und die Bündnispartner weitergeleitet.

Korridor über Deutschland

Am 15. Mai flog eine RQ-4D laut der NATO einen besonders langen Einsatz über das Schwarze Meer und anschließend über die Ostsee. Für die beiden Lufträume sind die beiden Combined Air Operations Centres der NATO in Torrejón (Spanien) und Uedem (Deutschland) zuständig.

Auf ihrem Weg ins Einsatzgebiet kann die Drohne zwei verschiedene Korridore nutzen, einer davon führt über Griechenland und Bulgarien ins Schwarze Meer. Einen weiteren Korridor hat das Bundesverteidigungsministerium über Deutschland freigemacht.

Nicht nur die NATO hat Global Hawks auf Sigonella stationiert, auch die US-Luftwaffe verfügt dort seit 2015 über zwei große Drohnen. Einsätze erfolgen mitunter gleichzeitig, so flogen etwa Mitte April zwei RQ-4D von NATO und USA von Sizilien ins Schwarze Meer. Einen Tag vor Beginn des Ukrainekrieges wollen Flugzeugbeobachter:innen sogar einen dreifachen Einsatz beobachtet haben.

Deutsche „Luftfahrzeugführer“ auf Sizilien

Auf der Luftwaffenbasis Sigonella sind rund 550 Einsatzkräfte für das NATO-AGS stationiert. Daran beteiligt sich die Bundeswehr derzeit mit insgesamt 88 Soldat:innen. Die Luftwaffe will insgesamt 14 Pilot:innen für Flüge mit der Global Hawk ausbilden, im April waren drei „Luftfahrzeugführer“ in Sigonella im Einsatz.

Das NATO-AGS-Programm geht auf den Gipfel von Chicago 2012 zurück. Nicht alle NATO-Staaten nehmen daran teil, der Auftrag an Northrop Grumman zur Herstellung des Systems erfolgte durch 15 Regierungen. Ihren Erstflug für die NATO absolvierte eine RQ-4D im Dezember 2015 in den USA. Die Auslieferung des ersten Luftfahrzeugs erfolgte 2019.

Das Programm war zunächst mit umgerechnet 1,4 Milliarden Euro veranschlagt. Die zwei größten Beitragszahler des AGS sind die USA und Deutschland.

Ursprünglich sollte auch die Bundeswehr HALE-Drohnen für das NATO-AGS beschaffen und auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein stationieren. Diese „nationale Beistellung“ hätte über eine halbe Milliarde Euro kosten sollen. Dem Verteidigungsministerium zufolge wird das Vorhaben jedoch nicht mehr weiterverfolgt.

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